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Ein kleiner Blick hinter die Kulissen des Videodrehs zu „Die Leichtigkeit des Seins“ von Michael J. Müller

Als ich kurz vor Ostern den Anruf von Dieter Weidenfeld bekam und mit der Produktion des neuen Videoclips von Matthias Reim beauftragt wurde, war mir sofort klar, dass dies kein branchentypisches Schlagervideo werden kann. Schon alleine der Song mit seinem philosophischen Text verlangt nach einer radikal anderen Darstellung als bisher. Da kann man nicht einfach den Künstler irgendwo in eine schöne Landschaft stellen und die Kamera draufhalten, das funktioniert nicht.

Aufgrund des engen Zeitfensters – Matthias war zu dieser Zeit schon mitten in der Promo für das neue Album und fast nur unterwegs – mussten wir ausserdem sehr schnell agieren. Also: ran an den Speck! Telefonisch habe ich mein Team zusammen getrommelt und wir haben erste Ideen entwickelt. Mit sechs unterschiedlichen Konzepten in der Tasche ging es dann am nächsten Tag zur Besprechung mit Matthias, Dieter und seiner Produktmanagerin Geli bei der Electrola in München. Dort haben wir uns sehr schnell auf eine Idee verständigt und die Planung ging mit vollen Touren los. 

idee6Ausschnitt aus dem Konzeptpapier – hier eine nicht umgesetzte Comic-Idee

Für die Umsetzung des Videos habe ich mir eine lichtdurchflutete surrealistische Umgebung vorgestellt – quasi eine Mischung aus „Bruce Almighty“ und der Batman-Tiefgarage, nur freundlicher – in der Matthias und Michaela Danner (Violine) agieren sollten; zusätzlich sollten antike goldene Bilderrahmen durch die Szenerie schweben, die mit Filmszenen bestückt sind, die Leichtigkeit verkörpern. Das Ganze sollte bewusst so angelegt sein, dass sich der Zuschauer alles Mögliche vorstellen konnte, von der Ewigkeit bis hin zur Schaltzentrale im Gehirn…

Um völlig frei in der Bearbeitung sein zu können, sollte der Dreh mit der Greenscreen-Technik realisiert werden, d.h. man nimmt die Darsteller vor grünem Hintergrund auf, der dann in der sog. PostProduction am Computer ersetzt wird. Es musste also ein Studio gefunden werden, das am Drehtag kurzfristig verfügbar war und über eine ausreichend grosse Fläche verfügte, um zwei Personen in der sog. Totale aufnehmen zu können – es war gerade der Beginn der Osterferien und nicht alle Leute verfügbar…

Raumtest2                 Raumtest                Raumtest1
Verschiedene Entwicklungsstadien des Raumes

Als dies schliesslich in „trockenen Tüchern“ war, wurde der Drehtag geplant und die ersten Visualisierungen und Skribbles erstellt. Der komplette Raum wurde virtuell in 3D am Rechner erstellt und entwickelt, antike Bilderrahmen wurden besorgt und digitalisiert, Bildmaterial für die Rahmen recherchiert und produziert. 

johnnyloganKleine Anekdote am Rande: Bei einem Projekt dieser Grössenordnung muss natürlich vor dem Dreh alles bestmöglich auf Herz und Nieren getestet werden. Da ich von Matze keine Aufnahmen vor Greenscreen vorliegen hatte, habe ich zum Testen kurzerhand Szenen aus einem aktuellen Projekt von meinem guten Freund Johnny Logan zweckentfremdet. So kam es zu dieser überaus kuriosen Aufnahme, bei der Johnny Logan als Matthias Reim – Double in der Vorab-Videokulisse zu sehen ist… Danke nochmals an dieser Stelle 🙂 

reim_leicht-001Und dann ging es auch schon ins Studio. Mein bewährtes Team bestand aus einem Kameramann, einem Assistenten und einer Stylistin, zusätzlich stand uns noch der Haustechniker vom Studio zur Verfügung. Frühmorgens haben wir als erstes die Beleuchtung eingerichtet.

Bei Greenscreen ist es extrem wichtig, dass die grüne Fläche möglichst einheitlich ausgeleuchtet ist und die Personen keine harten Schlagschatten werfen. Ist das nicht der Fall, ist das gedrehte Material oft nicht zu gebrauchen.

Darüber hinaus wollte ich keine typische Setausleuchtung mit einem sog. Führungslicht; unser Setup sollte vielmehr indirektes Licht aus allen Richtungen produzieren (Neudeutsch: omnidirektional), damit die gedrehten Szenen perfekt in die virtuelle Umgebung aus dem Rechner passen. Das obige Bild auf der linken Seite gibt einen kleinen Einblick in unser Set; wie man sehen kann, haben wir alle Lampen über grossflächige Reflektoren eingesetzt.

reim_leicht-015Das Team – die glorreichen 6

Als die Beleuchtung stand, kamen Matthias und Michaela auch schon an und wurden in der Maske „verarztet“ und drehfertig gemacht. In der Zwischenzeit haben wir Kamera und Tonzuspielung eingerichtet. Und dann ging es los mit den ersten Szenen von Matze, danach kam Michaela an die Reihe und zum Schluss wurden die Szenen gedreht, bei denen beide gemeinsam vor der Kamera standen. Wie üblich haben wir dabei alle möglichen Einstellungsgrössen und Situationen aufgenommen, um hinterher die bestmögliche Auswahl treffen zu können. Ein dickes Lob an dieser Stelle an die beiden Hauptdarsteller, wie immer absolut professionell und „auf den Punkt“. Wenn nur alle Künstler immer so gut vorbereitet wären… Die Stimmung am Set war klasse und der Live-Dreh hat grossen Spass gemacht! 

reim_leicht-005Aufnahme auf dem SSD-Recorder

Für die Tech-Freaks: Die Aufnahmen fanden mit einer Panasonic HD-Kamera statt, die via HD-SDI abgegriffen und auf einem Atomos Samurai Blade II als QuickTime ProRes 422HQ auf SSD-Drive aufgenommen wurden. Dadurch lässt sich die interne Kompression der Kamera vermeiden, ausserdem steht das Material schon für den Schnitt aufbereitet zur Verfügung, keine Umkodierung mehr nötig.

Die Protagonisten und das Drehteam hatten also ihren verdienten Feierabend, für mich gingen die Arbeit und der Spass jetzt erst richtig los. Wieder zurück in meinem Studio wurde das komplette Drehmaterial auf die Workstation überspielt, grob gesichtet und die besten Takes ausgewählt. Schlussendlich waren es 14 Spuren, die gleichzeitig zum Einsatz kamen. Daraus entstand zunächst der Grobschnitt, der sog. Rough Cut, der dann solange verfeinert wurde, bis alles gepasst hat. In diesem speziellen Fall mussten wir mit besonderer Vorsicht zu Werke gehen, da jeder Schnitt eine Effektszene ist, die zusätzliche Bearbeitung erfordert und aufgrund des engen Zeitfensters nicht viel Luft für Änderungen blieb. Bei 50 Schnitten sind das mal eben 50 Effektsequenzen – also ne Menge Holz u.v.a. ne Menge Rechenzeit…

reim-multicamMulticam mit 14 parallelen Spuren in Adobe Premiere Pro

Ich arbeite seit über einem Jahr ausschliesslich mit Adobe Software (Premiere Pro und After Effects), damit war dieses Projekt überhaupt erst in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit realisierbar. Im nächsten Schritt wurden jetzt die einzelnen Sequenzen bearbeitet und wieder im Schnitt eingesetzt; Adobe bietet hier eine geniale Funktion an, bei man die Szenen sehr komfortabel durch eine Komposition ersetzen kann, ohne zuvor mühsam alles Material zu berechnen. Im Schnitt waren das – je nach Anzahl der verwendeten Bilderrahmen – sechs bis zwanzig Ebenen pro Szene.

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Beispiel für die verschiedenen Ebenen der Bildkomposition eines einfacheren Shots in Adobe After Effects

Alles in allem betrug die Rechenzeit für den kompletten Videoclip 8,5 Stunden! Der Clip wurde von Management, Plattenfirma und Künstler für gut befunden und abgenommen und wurde rechtzeitig zur Veröffentlichung des neuen Albums allen gängigen Online-Portalen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurden noch zwei weitere Varianten produziert: ein sog. Lyric-Video mit eingeblendeten Texten und ein spezielles Video, das bei Live-Auftritten von Matthias Reim zum Einsatz kommen wird.

Ich freue mich sehr, dass das Video so gut ankommt. Bis heute wurde das Video ca. 100.000 mal abgerufen, ein schöner Erfolg 🙂[/gdlr_notification]